Ein Blick hinter die Kulissen von Bauprojekten über der Baumgrenze. Wie macht man das Risiko kalkulierbar? Was braucht es damit Bauvorhaben in extremen Höhenlagen umgesetzt werden können?

Intensive Vorbereitung

Touristische Bauvorhaben sind aufgrund ihrer speziellen Logistik und der Art der Gebäudenutzung naturgemäß komplex und vieles ist zu beachten. Bei Bauprojekten für die Berghotellerie und Seilbahngastronomie kommen zusätzliche Herausforderungen hinzu, die mit den oft extremen Höhen- und Wetterlagen und teils fehlender Infrastruktur einhergehen. Es bedarf Erfahrung, einer gründlichen Standortrecherche, einer betont vorrausschauenden Planung und wohlüberlegter Arbeitsvorbereitung, damit das Risiko kalkulierbar und das Bauvorhaben umsetzbar wird. Am Beginn stehen viele Gutachten und Sicherheitsanalysen. Die nötigen Gutachten des Bauprojektes Tuxerferner Haus (auf 2660m am Gletscher gelegen) geben eine Vorstellung von der Intensität der Planungsvorbereitung:
Gutachten Qualitätssicherung Abbruch
Gutachten Schnee- und Windlasten
Gutachten Kulturbautechnik
Gutachten Arbeitnehmerschutz
Baubiologische Beurteilung & Sicherheitsanalyse Geotechnik
Sicherheitsanalyse und Gutachten Brandschutz
Sicherheitsanalyse Wildbach- und Lawinenverbauung
Sicherheitsbericht gemäß Seilbahngesetz
Sicherheitsanalyse für Emissionen
Sicherheitsanalyse Tankstelle

Welche Materialien halten stand

Bei der Auswahl der Materialien prüfen wir nicht nur auf die Eignung für den Zweck der Nutzung (wie Schischuhe, laufender Wassereintrag, usw.) sondern auch hinsichtlich der Tauglichkeit für die Höhe. Damit z.B. Fenster aufgrund des Höhenunterschiedes zwischen Produktions- und Einbauort nicht bauchig werden, braucht es spezielle Ventile, die den Druckunterschied ausgleichen. Auch den jeweiligen Windlasten und den Witterungseinflüssen müssen die Materialien standhalten. Unter extremen alpinen Bedingungen sind entsprechende Zuschlagstoffe für den Beton nötig. Die Dimensionierung der Lüftungsanlagen wird speziell auf die Umweltbedingungen angepasst. Man arbeitet mit sehr langsamen Strömungsgeschwindigkeiten um der Ansaugung von Schnee in Geräten und Kanälen entgegenzuwirken. Schneefangräume, Leitbleche, Vorbaue und Abwasserabführung sind Teil der Lüftungsplanung. Bei den Elektrischen Installationen gilt es, neben vielen anderen Aspekten, zu beachten, dass durch die dünnere Luft ab 2000m Höhe beim Schalten erhöhte Gefahr für Funkenflug besteht.

Wie bringt man alles zur Baustelle

Eine große Herausforderung, und auch ein markanter Unterschied zu regulären Baustellen, ist die Art und Weise wie man Material und Arbeiter zur Baustelle bringt. Gibt es überhaupt eine geeignete Zufahrt? Können kostspielige Flüge vermieden werden? Auch die ganze Zufahrtslogistik und Einteilung: Wer darf/muß wann fahren? Gibt es genügend Ausweichen bei einspurigen Wegen? Sind Wegverbreiterungen notwendig? Die Notwendigkeit von Allradfahrzeugen betrifft alle Gewerke. (ev. ein Satz zur langen Anfahrtszeit, Personaltransport?)

Abbruch und Entsorgung in sensibler hochalpiner Umwelt

Idealerweise wird bereits bei der Vorplanung eine Vorerhebung über die zu erwartenden Abbruchmaterialien und einer möglichen Wiederverwertung vor Ort gemacht. Bei unseren Projekten bewährt hat sich den Betonabbruch vor Ort zu zerkleinern und wieder einzubauen, um nicht Kies aus dem Tal herauf und Betonabbruch hinunter transportieren zu müssen (umwelt- und kostenschonend). Grundlegend ist dabei eine sorgfältige Trennung. Beton- und Ziegelabbruch zu trennen; Holz in Abfall und wiederverwertbar, um, nach der Zerkleinerung im Häcksler, der Energiegewinnung beizusteuern. Strenge Eigen- und Fremdkontrolle, optisch und auch durch Laborproben, begleitet bei Projekten in sensiblen hochalpinen Ökosystemen durch die gesamte Bauphase.

Bei Wind und Wetter bauen

Bei Projekten über 2000m wird man als Bauleiter unweigerlich zum Wetterexperten. Gegen Temperaturstürze, Wetterumschwünge, Schneeeinbrüche, und Winde über 100Kmh muss alles gewappnet sein. Materiallieferungen und Vorauslieferungen müssen in Schönwetterfenstern eingeplant werden. Bei Witterungseinbrüchen und Schneefall müssen genügend Menschen und geeignete Maschinen für die Schneeräumung der Baustelle als auch der Zufahrtswege parat sein. Bei Aufkommen der Höhenwinde, bei denen Kranarbeiten und vieles andere unmöglich sind, muss flexibel und kreativ umdisponiert werden, damit die Baustelle weiterlaufen kann. Bei Temperaturstürzen haben wir z.B. mit Dampferzeuger für die Betonerwärmung gearbeitet. Mit Dampflanzen wurden die Decken enteist und die Bewährungen freigeblasen. Auch für die an der Baustelle arbeitenden Menschen sind diese unwirtlichen Höhenlagen eine Herausforderung – erhöhte Sicherheits- und Brandschutzanforderungen sind zu beachten, Körperschutz vor Kälte und Wind und das Arbeiten in dünner Luft ist belastend für den Kreislauf.

Die Freude am Ende 😉

Eines ist auch sicher: Nach all den speziellen Anforderungen, Schwierigkeiten und Unwirtlichkeiten die das Bauen über der Baumgrenze mit sich bringt, ist am Ende die Freude über solch ein gelungenes Bauprojekt doppelt so hoch! Und das gibt viel Energie für die nächsten Herausforderungen…

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